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Der Mangel an Pflegefachkräften in Deutschland verschärft sich seit Jahren. Demografie, steigende Pflegebedarfe und fehlender Nachwuchs führen zu einer Versorgungslücke, die ohne gezielte Zuwanderung kaum zu schließen ist. Die Rekrutierung internationaler Pflegekräfte ist deshalb zu einem zentralen Element der Personalstrategie vieler Pflegeeinrichtungen geworden. In diesem Artikel erfahren Sie, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen, welche Programme es gibt und welche Chancen und Herausforderungen die Integration mit sich bringt.

Der Pflegenotstand: Zahlen und Fakten zum Fachkräftemangel

Der demografische Wandel bringt Deutschland an seine Grenzen: Die alternde Bevölkerung benötigt mehr pflegerische Unterstützung, gleichzeitig gehen immer mehr Pflegekräfte in den Ruhestand. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird das Beschäftigungswachstum im Pflegebereich inzwischen ausschließlich durch ausländische Pflegekräfte getragen. Ohne internationale Unterstützung wäre die Versorgungslücke deutlich größer – vor allem in der Altenpflege.

Voraussetzungen für die Beschäftigung ausländischer Pflegefachkräfte

Wer darf ohne Genehmigung in Deutschland arbeiten?

Staatsangehörige aus EU-Mitgliedstaaten, dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und der Schweiz profitieren von der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie benötigen keine besondere Genehmigung, um in Deutschland als Pflegefachkraft tätig zu sein.

Drittstaatenangehörige: Aufenthaltstitel und Genehmigungspflicht

Für Pflegekräfte aus sogenannten Drittstaaten – also Nicht-EU-Ländern – gelten besondere Regelungen. Sie benötigen in der Regel:

  • einen Aufenthaltstitel, der die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt, und
  • die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit.

Zulässig ist die Zuwanderung, wenn die Person:

  • in ihrem erlernten Pflegeberuf arbeiten möchte,
  • den Pflegeabschluss in Deutschland anerkennen lassen will oder
  • eine Ausbildung im Gesundheitswesen beginnen möchte.

Wichtig: Die Blaue Karte EU (Blue Card), die für andere akademische Fachkräfte gilt, ist für Pflegeberufe nicht anwendbar.

Wann stimmt die Bundesagentur für Arbeit zu?

Die Bundesagentur für Arbeit prüft die Beschäftigungsbedingungen und erteilt ihre Zustimmung zur Anstellung ausländischer Pflegekräfte aus Drittstaaten nur, wenn:

  • die Berufsqualifikation als gleichwertig mit einem deutschen Abschluss anerkannt wurde,
  • eine Vermittlungsabsprache mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes besteht oder ein Defizitbescheid einer zuständigen Stelle in Deutschland vorliegt,
  • die Arbeitsbedingungen denen inländischer Pflegekräfte entsprechen.

Solche Vermittlungsabsprachen bestehen beispielsweise im Rahmen des Programms Triple Win, das Pflegekräfte aus Ländern wie Bosnien-Herzegowina, den Philippinen, Tunesien, Indonesien und Kerala (Indien) vermittelt. Auch individuelle Anfragen aus Bosnien-Herzegowina sind unter bestimmten Bedingungen möglich.

Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit unterstützt Arbeitgeber bei der Rekrutierung und im gesamten Anerkennungsprozess.

Erfolgreiche Programme: Triple Win als Modellprojekt

Das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Bundesagentur für Arbeit initiierte Triple Win-Programm ist eines der erfolgreichsten Modelle zur Anwerbung internationaler Pflegekräfte. Es gewährleistet faire und transparente Verfahren und berücksichtigt sowohl die Bedürfnisse der Herkunftsländer als auch der deutschen Pflegeeinrichtungen. Mehr Infos zu Triple Win.

Im Rahmen dieses Programms werden Pflegekräfte gezielt ausgewählt, sprachlich vorbereitet und bei der Integration begleitet. Dies fördert nicht nur die Qualität der Pflege, sondern auch eine langfristige Bindung an den deutschen Arbeitsmarkt.

Integration als Schlüssel zum Erfolg

Die Integration ausländischer Pflegekräfte stellt viele Arbeitgeber vor Herausforderungen: Sprachkenntnisse, kulturelle Unterschiede und das komplexe Anerkennungsverfahren sind oft Hürden. Erfolgsbeispiele wie das Senioren-Centrum Katzenelnbogen zeigen jedoch, dass mit gezielter Unterstützung – etwa durch Sprachkurse, Mentoring-Programme und interkulturelles Training – eine nachhaltige Eingliederung gelingt.

Fazit: Internationale Pflegekräfte als strategische Lösung

Angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Pflege ist die Rekrutierung qualifizierter Pflegekräfte aus dem Ausland eine zentrale Lösung. Wer Pflegepersonal aus Drittstaaten beschäftigen möchte, muss jedoch die rechtlichen Anforderungen und Anerkennungsverfahren genau kennen.

Programme wie Triple Win und die Unterstützung durch die ZAV erleichtern den Einstieg und helfen dabei, Hürden zu überwinden. Doch um langfristig Erfolg zu sichern, ist neben der Einreise auch die Integration am Arbeitsplatz entscheidend. Pflegeeinrichtungen, die diesen Prozess aktiv gestalten, profitieren nicht nur personell, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur internationalen Fachkräftemobilität.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU wird der Pflegebranche laut Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) keinerlei Auftrieb geben. Im Hamburger Abendblatt wies der Minister am 2. Mai darauf hin, dass das Grundproblem in der Pflege, der Mangel an Fachkräften, nicht durch Personal aus Osteuropa behoben werden könne. „Fachkräfte aus Osteuropa suchen berufliche Perspektiven eher in anderen europäischen Ländern“, so der Gesundheitsminister seine Prognose.

Minister Philipp Rösler

Minister Philipp Rösler (Foto: Bundesgesundheitsministerium)

Seit Mai 2011 ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit für zahlreiche mittel- und osteuropäische Staaten auch in Deutschland ohne gesetzliche Restriktionen gegeben. Bulgarien und Rumänien sind als die einzigen EU-Staaten hiervon nicht betroffen, für Arbeitnehmer auf diesen beiden Ländern ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor beschränkt.

Der FDP-Politiker forderte, den Pflegeberuf in Deutschland zu stärken. „Wir müssen bei der Pflege zuallererst unsere Hausaufgaben in Deutschland selbst erledigen, das vorhandene Potenzial an Fachkräften stärker fördern und junge Menschen für den Pflegeberuf gewinnen“. Hierbei zählte Rösler bessere Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal, eine stärkere gesellschaftliche Würdigung des Berufs, aber auch eine ausreichende Bezahlung auf, denn „der Mindestlohn in der Pflege kann nur eine Untergrenze sein“, so der zukünftige FDP-Vorsitzende gegenüber der Zeitung.

Der relativ niedrige Pflegemindestlohn und das damit zusammenhängende durchschnittliche Gehalt (der Mindestlohn in der Pflege beträgt derzeit 8,50 Euro pro Stunde in Westdeutschland und 7,50 Euro in Ostdeutschland) hält viele Menschen davon ab, sich für eine Berufslaufbahn im Pflegebereich zu entscheiden.

Die Bundesregierung beabsichtige, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, „etwa indem wir die Kranken- und Altenpflegeausbildung zusammen führen und das Berufsbild verbessern wollen“, so Rösler weiter. Er sehe auch keine Gefahr, dass durch die mittel- und osteuropäische Konkurrenz aus Polen, Ungarn, der Slowakei und weiteren Staaten, in denen die Arbeitnehmer jetzt jeder Tätigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgehen können, eine Abwärtsspirale bei den Löhnen in der Pflege entstehen könne.