Bereitschaftsdienst gehört für viele der bundesweit etwa 950.000 in der Pflegebranche Beschäftigten zum beruflichen Alltag mit dazu. Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil entschieden, dass Pflegekräfte auch für diese Bereitsschaftszeiten Anspruch auf den vollen Mindestlohn haben. Der Mindestlohn in der Pflegebranche war im August 2010 eingeführt worden.
In der Begründung hieß es, das Mindestentgelt sei laut Gesetz „je Stunde“ festgelegt und knüpfe damit an die Arbeitszeit an. Dazu gehörten auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst, weil sich der Beschäftige dann an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten müsse, um bei Bedarf unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Betroffene haben nun die Chance, ein Jahr rückwirkend Ansprüche geltend machen. Entscheidend ist also nicht die reine Arbeitszeit (im engeren Sinne – denn auch Bereitschaft bedeutet ja nicht „Freizeit“).
Entschieden wurde über die Klage einer Mitarbeiterin eines privaten Pflegedienstes in Baden-Württemberg. Sie war unter anderem für die Pflege und Betreuung von zwei dementen Frauen in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten verantwortlich. In diesen Arbeitsphasen wohnte sie auch im Haus der zu Betreuenden. Die Nachtzeit wollte der Arbeitgeber als Arbeitsbereitschaft jedoch nicht bezahlen: Die Pflegerin habe nicht tatsächlich rund um die Uhr gearbeitet und Bereitschaftsdienste könnten per Arbeitsvertrag geringer vergütet werden.
Klägerin erhält Gehalt nachgezahlt
Dem schlossen sich die obersten deutschen Arbeitsrichter mit Blick auf die Regelungen für die Pflegebranche nicht an. Vereinbarungen auf Ebene der Arbeitsverträge, die reduzierte Stundenlöhne vorsehen, seien unwirksam, entschieden die Erfurter Richter und gewährten der Klägerin einen Anspruch auf Nachzahlung von 2200,- Euro für die drei Monate im Jahr 2010. Der Arbeitgeberverband Pflege unterstützte den Richterspruch. Mit der neuen Regelung zum Pflege-Mindestlohn ab 1. Januar sei bereits klar festgelegt worden, „Bereitschaftszeiten sind als Arbeitszeiten zu werten“, wird Verbandssprecher Steffen Ritter auf Tagesschau.de zitiert (Stand 2023: Artikel nicht mehr Online). Mit einer Flut an Nachforderungen rechne der Verband nicht. Die meisten Arbeitgeber hätten das schon in der Vergangenheit korrekt gehandhabt. Ritte sagte zudem, ihm seien keine weiteren Klagen zu diesem Thema bekannt.