Die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU wird der Pflegebranche laut Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) keinerlei Auftrieb geben. Im Hamburger Abendblatt wies der Minister am 2. Mai darauf hin, dass das Grundproblem in der Pflege, der Mangel an Fachkräften, nicht durch Personal aus Osteuropa behoben werden könne. „Fachkräfte aus Osteuropa suchen berufliche Perspektiven eher in anderen europäischen Ländern“, so der Gesundheitsminister seine Prognose.

Minister Philipp Rösler

Minister Philipp Rösler (Foto: Bundesgesundheitsministerium)

Seit Mai 2011 ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit für zahlreiche mittel- und osteuropäische Staaten auch in Deutschland ohne gesetzliche Restriktionen gegeben. Bulgarien und Rumänien sind als die einzigen EU-Staaten hiervon nicht betroffen, für Arbeitnehmer auf diesen beiden Ländern ist der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt nach wie vor beschränkt.

Der FDP-Politiker forderte, den Pflegeberuf in Deutschland zu stärken. „Wir müssen bei der Pflege zuallererst unsere Hausaufgaben in Deutschland selbst erledigen, das vorhandene Potenzial an Fachkräften stärker fördern und junge Menschen für den Pflegeberuf gewinnen“. Hierbei zählte Rösler bessere Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal, eine stärkere gesellschaftliche Würdigung des Berufs, aber auch eine ausreichende Bezahlung auf, denn „der Mindestlohn in der Pflege kann nur eine Untergrenze sein“, so der zukünftige FDP-Vorsitzende gegenüber der Zeitung.

Der relativ niedrige Pflegemindestlohn und das damit zusammenhängende durchschnittliche Gehalt (der Mindestlohn in der Pflege beträgt derzeit 8,50 Euro pro Stunde in Westdeutschland und 7,50 Euro in Ostdeutschland) hält viele Menschen davon ab, sich für eine Berufslaufbahn im Pflegebereich zu entscheiden.

Die Bundesregierung beabsichtige, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, „etwa indem wir die Kranken- und Altenpflegeausbildung zusammen führen und das Berufsbild verbessern wollen“, so Rösler weiter. Er sehe auch keine Gefahr, dass durch die mittel- und osteuropäische Konkurrenz aus Polen, Ungarn, der Slowakei und weiteren Staaten, in denen die Arbeitnehmer jetzt jeder Tätigkeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachgehen können, eine Abwärtsspirale bei den Löhnen in der Pflege entstehen könne.

Anlässlich des Pflege-Dialogs, zu dem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler am 14. Februar 2011 eingeladen hatte, wurde die Unterstützung pflegender Angehöriger thematisiert. Mehr als 2,2 Millionen Menschen sind derzeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes pflegebedürftig, davon werden zwei Drittel von Angehörigen zu Hause gepflegt, zumeist von Ehepartnern und Töchtern. Dies gilt auch für die 1,2 Millionen Demenzkranken in Deutschland, von denen nur ein Teil Leistungen der Pflegeversicherung erhält.

Dazu sagte Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft: „So wichtig dieser Dialog ist, so verliere ich doch langsam die Geduld. Seit 2009 liegen sorgfältig ausgearbeitete und abgestimmte Vorschläge einer Expertenkommission zur Reform der Pflegeversicherung auf dem Tisch. Diese Vorschläge sehen etwa vor, dass der besondere Betreuungs- und Pflegebedarf Demenzkranker im Rahmen der Pflegeversicherung anerkannt wird. Dies muss endlich umgesetzt werden.“

Deutschen Alzheimer Gesellschaft bemängelt Pflege Demenzkranker

Im Einzelnen sagte Heike von Lützau-Hohlbein zur notwendigen Entlastung pflegender Angehöriger: „Als Selbsthilfeorganisation kennen wir die besonderen Belastungen pflegender Angehöriger, und das sind oft 80-jährige Ehefrauen. Der ‚24-Stunden-Tag’ ist sprichwörtlich geworden. Deshalb fordert die Deutsche Alzheimer Gesellschaft eine am individuellen Bedarf orientierte, wohnortnahe und bezahlbare Entlastung pflegender Angehöriger. Pflegende haben schon jetzt einen Anspruch auf Kurzzeit- und Verhinderungspflege, wenn sie krank sind oder Erholung brauchen. Doch dieser Anspruch muss flexibler genutzt werden können, und wir brauchen mehr geeignete Angebote. Kuren für Angehörige und Pflegebedürftige müssen ermöglicht werden, ähnlich wie Mutter-Kind-Kuren. Ferner muss Pflegezeit angemessen bei den Rentenansprüchen angerechnet werden“.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz mit Sitz in Berlin ist der Bundesverband von regionalen Alzheimer Gesellschaften, Angehörigengruppen und Landesverbänden. Sie nimmt zentrale Aufgaben wahr, gibt zahlreiche Broschüren heraus, organisiert Tagungen und Kongresse und unterhält das bundesweite Alzheimer-Telefon mit der Nummer 01803 – 171017.

Gestern war die Pflege ein Thema im deutschen Fernsehen.

Angst vor dem Heim. Wird gute Pflege unbezahlbar – Unter diesem Titel diskutierte die beliebte Talkshow-Moderaton Maybrit Illner in ihrer TV-Sendung am 18.11.2010 mit den Studiogästen Heiner Garg (stellvertretender Ministerpräsident und Gesundheitsminister Schleswig-Holstein und FDP-Mitglied), Bernd Meurer (Pflegeheimbetreiber, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste), Norbert Blüm (ehemaliger Bundesminister für Soziales), Martin Bollinger (Altenplfeger und Gutachter für Pflegeeinrichtungen), der ehemaligen TV-Moderatorin Sophie Rosentreter und Peer Juhnke, Sohn des berühmten Schauspielers Harald Juhnke, Pflegekritiker und Orthopäde.

Renate Föry (seniocare24) verteidigte bei Maybrit Illner die Pflege aus Osteuropa

Renate Föry (seniocare24) verteidigte bei Maybrit Illner die Pflege aus Osteuropa

Neben den Diskutanten konnte sich mit Renate Föry, Chefin von „Seniocare24“, die Seniorenbetreuung durch polnische Hilfskräfte in Deutschland anbietet, auch eine Kollegin aus der Pflegevermittlungsbranche in der ZDF-Sendung zu Wort melden.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) erwartet nach dem Wegfall der Arbeitsbeschränkungen für Arbeitnehmer aus Staaten, die 2004 der EU beigetreten sind, im kommenden Jahr 2011 einen Rückgang der Schwarzarbeit im Pflegebereich. Der Altenpfleger Martin Bollinger zeigte sich kritisch und pessimistisch: Die Gesellschaft müsse den Stellenwert der Pflege neu definieren, das sei mit Heimplätzen und Pflegekräften allein seien aber nicht mehr zu leisten. Er forderte mehrfach zu mehr bürgerschaftlichem Engagement auf, um die Zukunftsaufgabe Pflege zu meistern.

Peer Juhnke riet, auch aufgrund der negativen Erfahrungen, die er mit seinem Vater in einer stationären Pflegeeinrichtung gemacht hatte, die eigenen Angehörigen so lange wie möglich in den vertrauten vier Wänden zu pflegen. Einen Umzug in die fremde Umgebung eines Pflegeheims sollte man vielen Pflegebedürftigen eigentlich nicht zumuten.

Seniocare24-Chefin Renate Föry gab gute Argumente für osteuropäische Pflege

Renate Föry von Seniocare24 führte aus, dass eine 24-Stunden-Betreuung durch ihre Mitarbeiter monatlich 1400,- bis 1800,- Euro kostet – gegenüber 4000,- bis 5000,- Euro, die laut Moderatorin Illner für eine vergleichbare deutsche Pflege monatlich anfallen würden. Laut Föry würden ihre polnischen Pflegerinnen davon 800,- bis 1000,- Euro netto erhalten und damit deutlich mehr als für eine vergleichbare Tätigkeit in Polen.

Die Pflegeunternehmerin von Seniocare24 wies darauf hin, dass die eingesetzten Pflegerinnen nur nicht-fachmedizinische Hilfe leisten dürften, sie ersetzten damit praktisch die Pflege durch ein Familienmitglied. Komplexere Aufgaben wie Spritzen setzen oder den Verband zu wechseln würden durch den Pflegedienst übernommen. Seniocare24 setzt anscheinend ausschließlich auf die Möglichkeit einer Entsendung von Pflegerinnen, die in Polen angemeldet sind und für die dort auch Steuern und Sozialabgaben abgeführt werden.

Insgesamt wiesen alle Teilnehmer der Veranstaltung darauf hin, dass die Gewährleistung einer menschenwürdigen Pflege in den nächsten Jahren einen massiven Kraftaufwand erfordern wird. Die Überalterung der Gesellschaft sei nicht mehr umzukehren, jetzt müsste man an Konzepten arbeiten, mit denen man dieser Entwicklung begegnen könne.

Hierzu stellen wir fest:

Entsandte Pflegekräfte aus Osteuropa, wie hier exemplarisch am Fall von Seniocare24 dargestellt, sind eine wichtige, um nicht zu sagen eine unverzichtbare Größe in der Sicherstellung der Pflege alter Menschen in Deutschland. Je länger Menschen in ihrer vertrauten Umgebung leben können, um so günstiger sind sie für die Gesellschaft – und haben dabei eine deutlich höhere Lebensqualität als in einer stationären Einrichtung. Pflegerinnen aus Polen und Osteuropa sollten gesellschaftlich endlich die Anerkennung erhalten, die ihnen gebührt.

Der von Renate Föry beschriebene Weg einer Entsendung von Pflegepersonal ist auch unserer Meinung das der zu wählende Weg. An diesem bewährten Konstrukt scheint die Unternehmerin auch nach der Aufhebung der beschränkung für polnische Pflegekräfte festzuhalten. Hier finden Sie weitere Informationen zur Entsendung von Pflegerinnen und der rechtlich sicheren Erbringung von pflegenahen Dienstleistungen.

Im ZDF (auch auf dessen Internetseite) wurde der Eindruck erweckt, dass die Einschränkungen für sämtliche osteuropäischen Pflegerinnen im nächsten Jahr wegfallen werden. Hierzu stellen wir fest, dass für Personal aus Rumänien und Bulgarien auch in den Folgejahren noch Beschränkungen weitergelten werden. Die Entsendung ist hiervon jedoch in keiner Weise beeinträchtigt.

Das ZDF-Magazin WISO befasste sich in seiner Ausgabe vom 26. Juli 2010 unter anderem mit dem Thema Pflege zu Hause durch osteuropäisches Personal (Update 2023: Beitrag nicht mehr online abrufbar). Vorgestellt wurde ein Modellversuch der Caritas Osnabrück, die seit kurzem eine Art „Betreuung“ von polnischen Pflegerinnen anbietet. Diese werden direkt bei den deutschen Haushalten eingestellt, d.h. es handelt sich nicht um Personal der Caritas. Dabei findet das Verfahren der Vermittlung durch die Arbeitsagentur Anwendung.

Hierzu stellen wir fest:

Im Beitrag wurde dies als die scheinbar einzig „legale“ Möglichkeit zur Erbringung der Grundpflege im Haushalt dargestellt. Dies stimmt so jedoch nicht. Wir plädieren für die im Rahmen der EU-Dienstleistungsfreiheit mögliche Erbringung von Pflegedienstleistungen in deutschen Haushalten durch osteuropäische Unternehmen. Der Haushalt geht also kein Arbeitsverhältnis mit der Pflegerin ein. Denn dies bringt einige Risiken und Nachteile mit sich, auf die im WISO-Beitrag nicht eingegangen wurde.

  • Ist die eingesetzte Pflegerin körperlich und seelisch in der Lage, die Pflege über einen langen Zeitraum (6 Monate, 1 Jahr, 2 Jahre oder noch länger) zu erbringen?
  • Da ein Arbeitsvertrag nach dt. Recht zwischen Haushalt und Pflegerin abgeschlossen wird: Wie sieht es mit dem Urlaubsanspruch aus? Wie wird die Pflege in dieser Zeit erbracht?
  • Im Fall einer längeren Krankheit der Pflegekraft: Wie wird verfahren? Eine Kündigung ist kaum durchsetzbar – das Gehalt müsste in diesem Fall, wie auch im Urlaub, weiter bezahlt werden, zusätzlich zu den Kosten für eine Vertretung.
  • Werden die gesetztlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten eingehalten? Wie ist dies im Rahmen einer 24-Stunden-Pflege zu realisieren?
  • Als Arbeitgeber sollte man sich auch mit den Themen Kündigungsschutz auseinandersetzen

Selbstverständlich bieten wir auch die Vermittlung von Haushaltshilfen an, die in den Haushalten angestellt werden.

Unserer Auffassung nach aber ist, zumindest bei einem mittlerem Grundpflege-Bedarf, die Anstellung einer Haushaltshilfe in dem in WISO dargestellten Weg nicht sinnvoll. Neben hohen Kosten sollte man sich mit den diversen (Kosten-)Risiken und dem Punkt Urlaubsvertretung auseinandersetzen, die eine solche Lösung zwangsläufig mit sich bringt.

Aber natürlich ist der dort beschriebene Weg besser als eine „illegale“ Beschäftigung von Pflegekräften – aber diese lehnen wir verständlicherweise ohnehin ab.

Mindestlohn für Pflegekräfte

Ab August 2010 gelten die neuen Mindestlöhne in der Pflegebranche

Für die mehr als 600.000 Beschäftigte in der Pflegebranche wird ab August 2010 ein Mindestlohn gelten. Der neu eingeführte Mindestlohn für Pflegekräfte beträgt pro  Stunde mindestens 8,50 Euro im Westen Deutschlands und Berlin sowie 7,50 Euro im Osten.  Rechtliche Grundlage ist eine Verordnung von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die das Bundeskabinett am 14. Juli 2010 verabschiedet hat. Der Bundestag muß nicht mehr zustimmen, die Verordnung ist damit sofort wirksam, aber vorerst bis Ende 2014 befristet. Der Mindestlohn für Pflegekräfte steigt zum Januar 2012 und zum Juli 2013 um jeweils 25 Cent, so dass er ab Mitte 2013 9 Euro im Westen und 8 Euro im Osten beträgt.

Wie die FAZ berichtet, gilt der Mindestlohn  nach Angaben des Arbeitsministeriums nur für Arbeitnehmer, die überwiegend „Grundpflegeleistungen“ erbringen – wie das Waschen der Patienten, Hilfe beim Anziehen oder Treppensteigen sowie die Zubereitung von Mahlzeiten und das Füttern. Hauswirtschaftskräfte oder  Betreuer für Demenzkranke sind hiervon nicht betroffen.

Hierzu stellen wir fest:

Für Osteueorpäische Kräfte, die im Rahmen der 24-Stunden-Pflege eingesetzt werden, findet der Mindestlohn keine Anwendung, wenn sich deren Aufgaben auf die Betreuung von Seniorinnen und Senioren beschränken. Das bedeutet, dass fachmedizinische Handlungen wie z.B. der Wechsel von Verbänden oder der Austausch eines Katheters nicht erbracht werden dürfen. Unter diesen Umständen ist der Mindestlohn für die Pflegerinnen (die nicht als examininierte Fachkräfte eingesetzt werden) irrelevant.

Noch ein Hinweis: “Pflegekräfte aus Osteuropa – Rundumversorgung ganz legal”

In der FAZ ist am 28.01.2010 ein interessanter Beitrag zur Thematik 24-Stunden-Pflege erschienen, der die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzeigt.